DER SPIEGEL

Xinjiang Police Files: Neues Datenleak gibt bislang einmaligen Einblick in brutale Masseninternierung von Uiguren in China

Noch nie gesehene Fotos aus dem Inneren von Um­erziehungs­lagern, vertrau­liche Behörden­anweisungen und Reden chinesischer Funktionäre belegen die will­kür­liche und massen­hafte Internierung von Uiguren in Xinjiang, im Nord­westen Chinas. Die Dokumente sind Teil des bisher um­fassendsten Leaks über die Lager: Ausgewertet haben es Journalist­innen und Journalisten von 14 Medien­häusern aus aller Welt – darunter die britische BBC, Le Monde in Frankreich und El País in Spanien. In Deutsch­land waren der SPIEGEL so­wie der Bayerische Rund­funk an den Recherchen beteiligt. Die Ergebnisse werden von Diens­tag­früh an unter dem Titel Xinjiang Police Files veröffentlicht.

Die Publikation der Xinjiang Police Files fällt mit dem Besuch von UN-Menschen­rechts­kommissarin Michelle Bachelet in Xinjiang zusammen. Die Vereinten Nationen schätzen, dass im Nord­westen Chinas zeit­weise etwa eine Million Menschen interniert waren. Bei den meisten handelt es sich um Uiguren, eine muslimische Minder­heit in der Volks­republik.

Chinas Regierung behauptet seit Jahren, dass es sich bei den Lagern um beruf­liche Fort­bildungs­einrichtungen handele, deren Ziele die Armuts­bekämpfung und der Kampf gegen extremistisches Gedanken­gut seien. Der Aufent­halt in den Lagern sei frei­willig. Dies wird durch die Xinjiang Police Files wider­legt. So findet sich im Leak beispiels­weise eine bislang unbekannte Rede des ehe­maligen Partei­chefs der Region Xinjiang aus dem Jahr 2017, in der es heißt, jeder Gefangene, der auch nur versuche, ein paar Schritte weit zu entkommen, sei zu »erschießen«. Ein Foto zeigt außer­dem einen Häftling in einem sogenannten Tiger­stuhl – einer berüchtigten Folter­vorrichtung. Auf anderen Bildern sind Sicher­heits­kräfte mit Sturm­gewehren zu sehen. In einer offiziellen Stellung­nahme ging die chinesische Botschaft in Washington nicht auf konkrete Fragen ein, sondern erklärte, die Maß­nahmen in Xinjiang richteten sich gegen terroristische Bestrebungen, es gehe nicht um »Menschen­rechte oder eine Religion«.

Die Xinjiang Police Files wurden dem deutschen Anthro­pologen Adrian Zenz zuge­spielt, der sie wiederum mit dem SPIEGEL, dem Bayerischen Rund­funk und 12 anderen Medien­häusern geteilt hat. Zenz, der seit 2021 von der chinesischen Regierung sanktioniert wird, war in der Vergangen­heit maß­geblich an der Auf­deckung des Lager­systems in Xinjiang beteiligt. Für den China-Experten, der an der »Victims of Communism Memorial Foundation« in Washington forscht, stellen die Xinjiang Police Files eine »neue Dimension« dar. Das Bild­material sei einzig­artig und wider­lege die chinesische Staats­propaganda, dass es sich um »normale Schulen« handle.

Reinhard Bütikofer, der Vorsitzende der Delegation des Euro­päischen Parlaments für die Beziehungen zur Volks­republik China, fordert angesichts der Xinjiang Police Files neue Sanktionen gegen China. Die Fotos aus dem Leak zeigten »mit dramatischer Deut­lich­keit«, womit man es hier zu tun habe, sagte der Grünen-Politiker im Inter­view mit dem Bayerischen Rund­funk und dem SPIEGEL. Diese »Bilder des Grauens« müssten dazu führen, dass die Euro­päische Union klar Stellung beziehe.


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