Ausschluss der Kriegsgegner vom Wiederaufbau des Irak durch die USA heftig umstritten
Berlin, 11.12.2003 – Deutsche Politiker reagieren verstimmt auf die Ankündigung der USA, keine Aufträge zum Wiederaufbau Iraks an Kriegsgegner zu vergeben. Die Kritik reicht von Unverständnis über Imperialismusverdacht bis hin zu Beschimpfungen („Stupid white man“). Auch Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe hält den Schritt der USA für unklug.
Der Sprecher von Bundesaußenminister Joschka Fischer gibt sich diplomatisch. „Wir waren doch erstaunt“, kommentiert Walter Lindner am Donnerstagmittag auf den Fluren des Bundestages jenen Vorgang, wonach US-Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz eine Richtlinie erlassen hat, der Staaten, die gegen den Krieg im Irak waren, von der Aufbauhilfe ausschließt.
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Gert Weißkirchen sagte mit Bezug auf die amerikanischen Wünsche an Deutschland zum Schuldenerlass im Irak: „Wenn man etwas von uns will, dann muss man auch wissen, dass wir auch etwas wollen.“ Jedes Land müsse die faire Chance haben, sich am Wiederaufbau des Irak zu beteiligen.
Der Verteidigungspolitiker der Grünen-Fraktion, Winfried Nachtwei, sieht das ähnlich. „Die USA fühlen sich als Führungsmacht der freien Welt und des freien Welthandels, da läuft eine solche Verordnung diesen Anstrengungen deutlich entgegen“, sagte der Bundestagsabgeordnete im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.
Die Bekanntgabe des Vergabe-Ausschlusses zeigt aus Sicht Nachtweis jedoch, dass Teile der US-Regierung nach wie vor „negative Zeichen gegenüber der Uno und der internationalen Gemeinschaft setzen wollen“. Es habe den Anschein, als ginge es einigen in der US-Regierung um „Vergeltung und Erpressung“. Für den Grünen ein ungutes Zeichen: „Das Verhalten der US-Administration birgt lauter Argumente für eine traditionelle Imperialismusinterpretation."
Selbst ein ausgewiesene Transatlantiker, Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe, kritisiert das US-Vorgehen. „Es ist völlig unangemessen, die Frage des Wiederaufbaus mit der Kriegsteilnahme zu verbinden“, kritisiert der Christdemokrat gegenüber SPIEGEL ONLINE das Verhalten des Pentagon. Das sei „keine kluge Entscheidung“. Wie wenig die Verordnung von Wolfowitz in der US-Regierung offenbar abgestimmt sei, zeige auch der Anruf des US-Präsidenten bei Schröder, Chirac und Putin, glaubt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, der als einer der wenigen in der Unionsfraktion von Anbeginn öffentlich gegen den Krieg war, sparte am Donnerstag ebenfalls nicht mit Kritik: „Die Verhältnisse sind in Unordnung, solange derartige Entscheidungen – welche Länder werden vom Aufbau ausgeschlossen – in Washington getroffen werden und nicht in Bagdad.“ In Anspielung auf den amerikanischen Bestseller-Autor und polemischen Bush-Kritiker Michael Moore fügte der Rechtsanwalt hinzu: „Man muss kein Anhänger von Michael Moore sein, um dem US-Verteidigungsministerium zu empfehlen, dessen These ‚Stupid White Man’ nicht jeden Tag unfreiwillig zu bestätigen.“
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