Mit ungewöhnlich deutlichen Worten hat Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) den Vorstand der Deutschen Telekom kritisiert. Es sei unverständlich, dass "bei der Telekom die Vorstandsgehälter um bis zu 89 Prozent erhöht werden, wenn gleichzeitig die Volksaktie, in die viele kleine Sparer ihr Geld gesteckt haben, historische Tiefstände erreicht", sagte Stoiber in einem Interview mit dem manager magazin (Erscheinungstermin: 21. Juni 2002). Beobachter werten dies als Signal, dass Telekom-Chef Ron Sommer nach einem Wahlsieg Stoibers seinen Posten räumen müsste.
Überbezahlte Konzernführer sind nach Stoibers Ansicht dafür mitverantwortlich, dass "die Akzeptanz unserer Wirtschaftsordnung" schwindet. Mancher Manager müsse sich "wieder bewusst machen, dass er selbst auch Verantwortung für diese Gesellschaft trägt". "Hier geht es nicht um eine Sozialneid-Diskussion", betonte Stoiber. Er plädiere für "Transparenz: Die Unternehmen würden sich selbst einen Gefallen tun, wenn sie die Vorstandsgehälter offen legten".
Zur Diskussion, ob die Union nach einem Sieg bei der Bundestagswahl drastische Reformen angehen soll, sagte Stoiber, er wolle "sehr wohl einschneidende Veränderungen".
Einem überraschenden Kurswechsel nach der Wahl erteilte der Kandidat jedoch indirekt eine Absage: "Wir müssen die Bürger mitnehmen. Die Menschen sind doch ohnehin schon verunsichert." Die Globalisierung der Wirtschaft, die deutsche Wettbewerbsschwäche, die Alterung der Gesellschaft und die Folgen der Terroranschläge vom 11. September sorgen nach Stoibers Worten für eine Verunsicherung, die ein behutsames Vorgehen einer unionsgeführten Bundesregierung ratsam erscheinen ließen. "In einer Zeit, in der so viel auf die Menschen einstürmt, möchte ich sie mit Verständnis für ihre Ängste und Sorgen zu Reformen bringen." Stoiber: "Ich muss die Leute, die aus ökonomischen Gründen eine starke Reformbereitschaft haben, mit denen verbinden, die Angst haben, Sicherheiten zu verlieren. Führungsstärke heißt einen langen Atem haben."
Autor: Henrik Müller
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