DER SPIEGEL

Staatsrechtler von Arnim hält Vertrauensfrage für verfassungswidrig

Grundgesetz-Experte nennt Vorstoß des Kanzlers zugleich „staatspolitisch honorig“

– Der Speyerer Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim hält den Vertrauensfrage-Trick für verfassungswidrig. Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE sagte er: „Wenn man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von 1983 zu Grunde legt, ist das meines Erachtens nicht verfassungsgemäß. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das Bundesverfassungsgericht die politische Verantwortung auf sich nimmt und diesen Ausweg versperrt, der sich jetzt aus der Regierungs-Bundesrats-Blockade bietet.“ Denn damit würde das Bundesverfassungsgericht mitverantwortlich dafür, dass die politische Handlungsunfähigkeit um ein Jahr verlängert würde. „Ich glaube, dass das Gericht, das ja die politischen Auswirkungen seines Handelns immer sehr sorgfältig wägt, da einen Ausweg finden wird – also nicht die Rechtsprechung von 1983 zu Grunde legen wird.“

Letztlich sei das fragwürdige Spiel deshalb notwendig, weil das deutsche Regierungssystem einen schweren Konstruktionsfehler enthalte. „Genau genommen trägt die Verantwortung für dieses ganze Dilemma das System. Es ist ein riesiger Mangel, dass in den meisten Jahren die Opposition im Bundesrat die Mehrheit hat und bei allen wichtigen Gesetzen ihr Veto einlegen kann.“ Dieser Webfehler des deutschen Regierungssystems habe ja durch die Föderalismuskommission beseitigt werden sollen, doch diese sei genau an dem Problem gescheitert, das sie beseitigen sollte. „Das ist eigentlich pervers, dass wegen dieser Systemmängel und der daraus resultierenden politischen Handlungsunfähigkeit jetzt derart aberwitzige Umwege beschritten werden müssen, um vielleicht wieder handlungsfähig zu werden.“

Das Bundesverfassungsgericht könnte die Auflösung des Bundestages nach Einschätzung des Staatsrechtler auch deshalb abnicken, weil der Missbrauch des Artikels 68 im konkreten Fall kein Verstoß gegen die eigentliche Intention der Verfassungsväter wäre: „Der Grund, warum die Verfassungsväter die Selbstauflösung des Parlaments unterbinden wollten, war ja auch, dass es für die Regierung nicht möglich sein soll, den Wahltermin so hinzuschustern, dass sie sich gute Chancen ausrechnen kann.“ Doch dies sei ja hier nicht der Fall. „Es ist ja eher so, dass man im Herbst eher schlechte Chancen haben wird.“ Mit seiner Begründung, der Bundestag müsse neu gewählt werden, um die Blockade zwischen den politischen Lagern zu beenden, liefere Schröder der Opposition die „Macht auf dem Silbertablett“, sagte von Arnim. Denn um die Blockade zu beseitigen gebe es nur einen Ausweg: Union und FDP ans Ruder zu bringen. Von Arnim fügte hinzu: „Das hat etwas staatspolitisch Honoriges.“

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