Die 54 größten Pharmafirmen, die im Verein "Freiwillige Selbstkontrolle Arzneimittelindustrie" zusammengeschlossen sind, haben im vergangenen Jahr 575 Millionen Euro an rund 71.000 Ärzte und Fachkreisangehörige sowie 6.200 medizinische Einrichtungen verteilt. Das haben Berechnungen von SPIEGEL ONLINE und des Recherchezentrums CORRECTIV ergeben. Mehr als 20.000 dieser Ärzte sind namentlich bekannt. Ihre Namen und die Summen, die sie erhalten haben, finden sich ab heute in einer frei zugänglichen Datenbank, in der jeder Internetnutzer suchen kann, ob auch sein Arzt im vergangenen Jahr Zuwendungen der Industrie erhalten hat. Die Adresse der Datenbank lautet: correctiv.org/euros
119 Millionen Euro haben die Pharmafirmen im vergangenen Jahr für Vortragshonorare, Fortbildungsveranstaltungen und Reisespesen an Ärzte bezahlt. Nach Berechnungen von SPIEGEL ONLINE und CORRECTIV flossen aus diesem Topf im Schnitt rund 1.646 Euro an jeden der 71.000 Ärzte.
Dazu kommen insgesamt 366 Millionen Euro als Honorar für Anwendungsbeobachtungen und andere medizinische Studien, zu denen die Firmen aber alle detaillierten Angaben verweigern. "Man differenziert nicht weiter im Forschungsblock", rechtfertigt Birgit Fischer vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VfA) auf Nachfrage die bestehende Intransparenz bei Anwendungsbeobachtungen. "Das ist eine Entscheidung, die gemeinsam getroffen wurde."
Prof. Dr. Klaus Lieb, ordentliches Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), nennt es enttäuschend, dass nur 29 Prozent der Ärzte einer Veröffentlichung ihres Namens zugestimmt haben. "Transparenz sieht anders aus", sagt Lieb. "Wir Ärzte haben bezüglich Interessenskonflikten einen blinden Fleck", kritisiert der Mediziner. "Wir lassen uns von der Pharmaindustrie einladen und glauben dennoch, wir seien unabhängig."
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