Über Jahrzehnte prägte Willy Brandt (1913 bis 1992) die deutsche Politik. International galt er als Vertreter des neuen, guten Deutschland – und wurde 1971 mit dem Friedensnobelpreis für seine Ostpolitik ausgezeichnet. Die aktuelle Ausgabe von SPIEGEL BIOGRAFIE, die am 20. November erscheint, widmet sich der Karriere und dem Leben dieses charismatischen, schwierigen Weltstars der Politik.
In einer Zeit, in der die SPD um zweistellige Wahlergebnisse bangen muss, lohnt ein Blick zurück in eine Ära, in der Brandt die Sozialdemokratie quasi neu erfand – und unter seiner Führung zu einer modernen Volkspartei formte. Welche Lehren die SPD heute aus Brandts Politikverständnis ziehen könnte, erörtert ein aktueller Essay. Daneben versammelt diese SPIEGEL-BIOGRAFIE-Ausgabe die besten Artikel und Interviews aus vier Jahrzehnten SPIEGEL-Berichterstattung sowie Texte von Zeitzeugen wie dem Fernsehjournalisten Peter Merseburger, dazu Auszüge aus wenig bekannten, frühen Aufsätzen und aus den großen Reden Willy Brandts. Sie zeichnen den außergewöhnlichen Aufstieg dieses unehelichen Sohnes einer Lübecker Verkäuferin zum Regierenden Bürgermeister von West-Berlin und schließlich zum ersten SPD-Bundeskanzler nach.
Ausführlich werden seine dramatischen Jugendjahre in der Emigration und im Widerstand gegen den Nationalsozialismus beschrieben. In der Nachkriegszeit nahm der zum Pragmatiker gereifte Brandt die SPD für sich ein. Als innenpolitischer Reformer und als Friedenspolitiker auf der Weltbühne gewann er Profil über die Tagesaktualität hinaus. SPIEGEL-Reporter Hermann Schreiber beschrieb als Augenzeuge den Kniefall Brandts im Warschauer Ghetto 1970 als symbolischen Schritt zur Versöhnung. In Auszügen aus SPIEGEL-Gesprächen mit Brandt wird das Lebensziel deutlich, das der Junge aus einfachsten Verhältnissen immer vor Augen hatte: eine gerechtere Welt mit weniger Waffen, stabilem Frieden und Freiheit.
Doch seine Kanzlerschaft endete mit enttäuschten Erwartungen und einem Geheimdienstskandal. Bislang unveröffentlichte Dokumente der DDR- Staatssicherheit belegen, wie sehr der DDR-Geheimdienst Brandt und dessen ostdeutsche Anhänger fürchtete. Günter Guillaume, ein enger Mitarbeiter Brandts, wurde 1974 als Stasi-Spitzel enttarnt – Brandt erklärte seinen Rücktritt als Bundeskanzler, blieb aber als Staatsmann international aktiv.
Von der Faszination Willy Brandts, aber auch von den Problemen seines Familienlebens berichtet sein ältester Sohn, der 74-jährige Historiker Peter Brandt, in einem exklusiven SPIEGEL-Gespräch. „Er kam selten ins Kinderzimmer“, erinnert sich Brandt, der bei seinem Vater „eine Reserve gegenüber anderen Menschen“ konstatiert. Dennoch, so Peter Brandt, habe Willy Brandt auch in der Familie „eine hohe Autorität" gehabt. Und er erinnert sich an seinen Vater als einen Menschen, „der um die Dinge rang und es sich mit Entscheidungen nicht leicht machte".
SPIEGEL BIOGRAFIE „Willy Brandt. Kanzler, Staatsmann, guter Deutscher“ erscheint am 20. November zum Copypreis von 7,90 Euro.
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