Österreichs Bundeskanzler empfiehlt mehr Patriotismus: „Die Deutschen haben doch so viel, auf das sie stolz sein können.“
Der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) wehrt sich gegen den Vorwurf, die schlechte wirtschaftliche Lage in Deutschland auszunutzen. „Wir werben keinen Betrieb aus Deutschland ab, der nicht sowieso weg will“, sagte Schüssel in einem Interview mit der Zeitschrift manager magazin (Erscheinungstermin: 18. März 2005). Immer wieder kamen aus Deutschland, insbesondere von der bayerischen Regierung, Klagen, die österreichische Standortwerbung sei unfair.
Schüssel betont, jedes Land müsse nun einmal mit internationaler Konkurrenz leben: „Im Standortwettbewerb müssen wir alle mitspielen.“ Entsprechend skeptisch beurteilt der Bundeskanzler auch Vorstellungen aus Brüssel und Berlin, die Unternehmenssteuern in der gesamten Europäischen Union zu harmonisieren. Zwar unterstütze seine Regierung den Vorschlag, die Bemessungsgrundlage EU-weit zu vereinheitlichen. Und er „könnte sogar damit leben, wenn Bandbreiten für die Steuersätze festgelegt würden“. Allerdings sei eine solche Einschränkung des Wettbewerbs den neuen EU-Ländern nicht zuzumuten. „Die brauchen niedrige Steuern für ihre ökonomische Aufholjagd“, sagte Schüssel.
Was die wirtschaftlichen Aussichten der Bundesrepublik angeht, so ist Schüssel durchaus optimistisch. Er hält „die Lage in Deutschland für viel besser als die Stimmung. Ich habe das Gefühl, dass bei euch eine Düsternis gepflegt wird, die durch die reale Situa-tion nicht gerechtfertigt wird. Deutschland hat seine Produktivität innerhalb der letzten zehn Jahre massiv verbessert. Die Exportnation Nummer eins soll ein kranker Riese sein? Das ist lächerlich.“
Dass die Bundesbürger von kollektiven Selbstzweifeln geplagt würden, verstehe er überhaupt nicht. „Die Deutschen haben doch so viel, auf das sie stolz sein können.“ Den deutschen Nachbarn empfiehlt der österreichische Bundeskanzler mehr Patriotismus: „Mir ist völlig unverständlich, dass so viele Deutsche damit Schwierigkeiten haben, Patrioten zu sein. Was denn sonst? Wer sich selbst nicht liebt, darf sich auch nicht wundern, wenn ihn andere nicht mögen.“
Autor: Dr. Henrik Müller, Telefon: 040/308005-38
Hamburg, 16. März 2005
manager magazin
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