Dokumente der Wehrmachtsauskunftsstelle belegen: US-Army war informiert
Hamburg/Berlin, 15. August 2006 – Zwei bislang unbekannte Dokumente der amerikanischen Militärbehörden, die dem SPIEGEL vorliegen, belegen, dass der spätere Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass sich unmittelbar nach Kriegsende gegenüber den Amerikanern zu seiner Mitgliedschaft in der Waffen-SS bekannt hat. Grass war in die Kritik geraten, weil er am vergangenen Freitag in einem Interview mit der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« berichtet hatte, einst Mitglied in der berüchtigten Truppe gewesen zu sein.
Unter den Papieren findet sich ein Formular der Entlassungsstelle der III. US Army, in deren Kriegsgefangenschaft Grass am 8. Mai 1945 im heute tschechischen Marienbad geraten war. Grass hat das Papier unterschrieben. Er wird darin als Schütze der 10. SS-Panzer-Division »Frundsberg« geführt. Dem Papier zufolge wurde Grass – Gefangenennummer 31G6078785 – am 24. April 1946 mit einem Arbeitslohn von 107 Dollar und 20 Cents entlassen.
Grass war unter anderem auch in einem süddeutschen Kriegsgefangenenlager untergebracht, das die Amerikaner auf dem damaligen Militärflughafen Bad Aibling errichtet hatten. Er war dort nach eigenen Angaben Mitglied in einem Arbeitskommando, das für den Abwasch in einer Kompanieküche der US Air Force zu sorgen hatte. Möglicherweise resultiert daher sein Lohn.
Auf dem zweiten Dokument – ebenfalls ein Formblatt der Amerikaner – ist das Datum 10. November 1944 vermerkt, mit dem Zusatz »Waffen-SS«. Möglicherweise ist damit der Einberufungstermin gemeint, der bislang nicht bekannt war. Die neu aufgetauchten Dokumente liegen in der Wehrmachtsauskunftsstelle in Berlin.
Zu Grass' Rolle in der Waffen-SS sind vermutlich keine Dokumente mehr vorhanden. Die Waffen-SS hat einen Großteil ihrer Akten zu den Personalbeständen bei Kriegsende vernichtet.
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