Hamburg, 20. Januar
Auch bei der Vergabe des millionenschweren Beratungsauftrags an die Firma McKinsey durch die Bundesanstalt für Arbeit ging es womöglich nicht mit rechten Dingen zu. Schon vor der Ausschreibung des Projekts waren die Berater in der Behörde tätig und dadurch allen Konkurrenten voraus. BA-Präsident Gerster steht nach Einschätzung aus Regierungskreisen kurz vor der Entlassung.
Nicht nur beim Engagement von PR-Experten, sondern auch beim Großeinsatz von Unternehmensberatern zum Umbau der Bundesagentur für Arbeit hat es deren Präsident Florian Gerster mit dem Vergaberecht offenbar nicht so genau genommen. Das ergibt sich aus der amtlichen „Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen“, die die Konditionen für das Engagement von Beratern für die öffentliche Hand regelt. Demnach dürfen Behörden zwar bei der Beschreibung der zu vergebenen Aufgabe Sachverständige einschalten, aber diese Experten dürfen anschließend „weder unmittelbar noch mittelbar an der betreffenden Vergabe beteiligt sein.“
Beim Großauftrag für die Bundesanstalt für Arbeit wurde jedoch gegen diese Vorschrift möglicherweise verstoßen. Dort nahm Gerster im Januar vergangenen Jahres gleich vier verschiedene Beraterfirmen zum Preis von 41 Millionen Euro unter Vertrag. Über die Hälfte dieser Summe ging an die Firma McKinsey. Schon vor der im September 2002 gestarteten Ausschreibung waren McKinsey-Berater aber bereits in der Behörde tätig und arbeiteten während der Sommermonate den so genannten Masterplan aus, der die einzelnen Schritte des Umbaus der Bundesanstalt zur einer Service-Agentur für die Arbeitsvermittlung beschrieb. So verfügte der weltweit tätige Beraterkonzern von vornherein über weit bessere Informationen als alle möglichen Konkurrenten.
Dementsprechend ging es bei der späteren Vergabe der Aufträge für die insgesamt acht Lose des Projekts höchst unfair zu, berichteten Wettbewerber gegenüber SPIEGEL ONLINE. So gingen alle teilnehmenden Beraterfirmen davon aus, dass die Leistungen möglichst kostengünstig zu erbringen wären. Folglich lagen ihre Angebote für alle Lose zumeist in der Größenordnung von 20 bis 25 Millionen Euro. Tatsächlich vergeben wurde aber zum doppelten Preis, vorrangig an McKinsey und die Beraterfirma Roland Berger, deren Vertreter bei auch schon in der vorgeschalteten Hartz-Kommission saßen.
Die Begründung für diese merkwürdige Praxis bekamen die unterlegenen Bewerber allerdings erst nach Abschluss des Wettbewerbs mitgeteilt. „Da sagten sie uns dann, dass die Anbieter zunächst nur nach dem besten Leistungspaket ausgesucht wurden“, berichtet einer der ausgebooteten Berater. Erst in der zweiten Runde sei dann über den Preis verhandelt worden. „Korrekt wäre gewesen, wenn das alle Wettbewerber rechtzeitig gewusst hätten“, sagt der Mitarbeiter eines namhaften Beratungsunternehmens. Im Nachhinein sei dann auch verständlich geworden, warum „Gerster sich die Präsentationen mancher Bewerber gar nicht mehr angeguckt hat“. Offenbar habe das Ergebnis schon vorher fest gestanden. Weder die Bundesagentur noch McKinsey waren bislang für eine Stellungnahme zu erreichen.
So gerät Gerster wegen seiner Vergabepraxis nun wohl auch intern unter Rücktrittdruck. Trotz der Vertrauenserklärung von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement steht er nach Einschätzungen aus Regierungskreisen kurz vor der Entlassung. Bislang standen wenigstens zwei der drei Vertreter in der Spitze des Verwaltungsrates noch hinter ihm, nämlich der Abgesandte des Wirtschaftsministeriums, Bernd Buchheit, sowie der Vertreter der Arbeitgeberseite, Peter Clever. Lediglich die Gewerkschaften, vertreten durch die Vize-Chefin des DGB, Ursula Engelen-Kefer, ließen intern mehrfach große Vorbehalte gegen den umstrittenen Behördenleiter erkennen.
Nun aber hat Clever seine Position geändert. Nach seinen gestrigen Gesprächen in der Bundesagentur für Arbeit äußerte er gegenüber Vertrauten, er könne sich nicht mehr länger schützend vor Gerster stellen. Als Grund führte Clever dabei neue Erkenntnisse über die Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit den umstrittenen Beraterverträgen bei der BA an.
Gerster war bereits im Dezember öffentlich enorm unter Beschuss geraten, weil er einen millionenschweren Beratervertrag an die PR-Firma WMP Eurocom ohne Ausschreibung vergeben hatte. Der Rechnungshof bestätigte darüber hinaus erst kürzlich in einem Bericht, dass Gerster damit eigenmächtig gegen die Bestimmungen des Vergaberechtes verstoßen habe. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Verwaltungsrat, aber auch das Wirtschaftsministerium, die Auffassung vertreten, dass dieser eine Vorgang keine Entlassung Gersters rechtfertige – solange keine weiteren Verfehlungen hinzukämen. Medienberichten zufolge hegt nun die Innenrevision der BA weitere Zweifel an der Vergabepraxis durch die BA – was Clever, der gestern deswegen in Nürnberg, dem Sitz der Behörde, war, zu seinem Richtungswechsel bewogen haben soll.
Heute Abend muss Gerster deswegen erneut vor der Spitze des Verwaltungsrates erscheinen, um sich zu rechtfertigen. Nun hängt es vor allem von Wirtschaftsminister Clement ab, ob dieser dennoch weiterhin zu Gerster stehen will.
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