Leutheusser-Schnarrenberger kritisiert Gesetz / „Völlige Durchleuchtung des Bürgers“ / Schwere rechtsstaatliche Mängel
– Die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat das am 1. April 2005 in Kraft tretende „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“ scharf kritisiert. Die liberale Bürgerrechtlerin warf der rot-grünen Regierung vor, sich von den Prinzipien des Rechtsstaats zu verabschieden.
„Ich halte das Gesetz für eine Katastrophe“, so die ehemalige Bundesjustizministerin gegenüber SPIEGEL ONLINE. Die vorgesehene Regelung, laut derer Finanzämter und andere Behörden ohne Kenntnis der Betroffenen deren Kontodaten abfragen könnten, sei ein „massiver Schritt zur völligen Durchleuchtung des Bürgers“. Sie halte das Gesetz für rechtsstaatlich nicht vertretbar.
Dass der steuerehrliche Bürger von einer Kontenabfrage nichts zu befürchten habe, bezeichnete Leutheusser-Schnarrenberger als „unglaublich dreiste Argumentation, die alles erlaubt“. „Die Bundesregierung sagt, der Bürger muss nackt sein, denn angezogen ist er prinzipiell verdächtig“, so die Politikerin. Mit Hinblick auf zwei in Karlsruhe anhängige Verfassungsbeschwerden sagte Leutheusser-Schnarrenberger, sie plädiere dafür, das Gesetz vorerst auf Eis zu legen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass Karlsruhe das Gesetz kippe.
Ab 1. April 2005 erhalten Finanz, Arbeits-, Sozial- und Bafög-Ämter Zugriff auf die Kontodaten aller Bürger. Der Abruf über die so genannte Konten-Evidenz-Zentrale (KEZ) offenbart, welche Konten, Wertpapierdepots, Ander- oder Treuhandkonten sowie Verfügungsberechtigungen ein Steuerzahler unterhält. Das von Eichels Juristen konzipierte Verfahren halten Datenschützer und Verfassungsexperten für äußerst problematisch: Einen konkreten Verdacht oder eine Begründung braucht der Beamte für eine Abfrage nicht vorzuweisen. Der Betroffene muss außerdem zu keinem Zeitpunkt über die Spähaktion informiert werden. Auch die Bank erfährt nichts.
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