DER SPIEGEL

EU-Verfassung: Bundestag soll Bedenken Rechnung tragen

– Renommierte Verfassungsrechtler äußern Kritik an der geplanten EU-Verfassung und empfehlen dem Bundestag, den Bedenken bei der Abstimmung konstruktiv Rechnung zu tragen. Wie SPIEGEL-ONLINE berichtet, macht der Berliner Staatsrechtslehrer und ehemalige Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm in dem Vertragswerk „höchst problematische Normen aus, die den Grundsatz zu relativieren drohen, dass die Union nur diejenigen Kompetenzen besitzt, welche ihr die Mitgliedstaaten vertraglich abgetreten haben“.
Diese Klauseln, so Grimm, „lassen zwar Raum für entschärfende Interpretationen“, doch sei „nicht gesichert, dass sich diese Interpretationen im Streitfall behaupten werden“. „Nützlich“ wäre deshalb eine „Klarstellung, wie der Deutsche Bundestag diese Vorschriften – im Interesse seiner eigenen Kompetenzwahrung – versteht“. Selbst ein Nein des Bundestages wäre aus Sicht von Grimm „keine Katastrophe“, denn auch dann falle die EU „nicht in ein juristisches Nichts“. Die Verträge von Nizza würden dann weiter gelten, die wichtigsten Bestandteile der Verfassung könne man „auf konventionellem Wege in die Verträge einfügen“.
Auch andere Verfassungsjuristen empfehlen den Abgeordneten laut SPIEGEL ONLINE, über flankierende Maßnahmen nachzudenken. So rät auch der Ex-Verfassungsrichter Hans Hugo Klein den Abgeordneten, dem Vertragswerk eine Entschließung beizufügen, mit der sie grundgesetzkonforme „Interpretationshilfen“ oder eine „politische Marschrichtung“ vorgeben können. Vor allem bei Klauseln, die schon in früheren europäischen Verträgen umstritten waren, so Klein wäre „der Hinweis des Bundestages angebracht, dass er nur zustimmt, wenn das nicht anders interpretiert wird, als es das Bundesverfassungsgericht verlangt hat“.
Selbst die Abgeordneten, die auf jeden Fall die Verfassung durchbringen wollen, sollten sich deshalb flankierende Maßnahmen überlegen, mahnt Klein. Denn bei der „bevorstehenden Auseinandersetzung vor dem Verfassungsgericht“ um die EU-Verfassung ließen sich „auf diese Weise Bedenken der Richter leichter ausräumen“.
Sogar ein verbindlicher völkerrechtlichen Vorbehalt wäre nach Ansicht von Staats- und Europarechtsexperten wie dem Münchner Peter M. Huber und seinem Bonner Kollegen Christian Hillgruber zu überlegen: Der Bundestag, so Huber, „kann darauf bestehen“. Die Verfassung würde dann für die Bundesrepublik nur mit diesen Einschränkungen in Kraft treten. Zwar müsse „keine andere Vertragspartei das akzeptieren“, so Hillgruber. Doch nur wenn die anderen Mitgliedstaaten Einspruch gegen den deutschen Vorbehalt einlegen, träte die Verfassung überhaupt nicht in Kraft.
Der vollständige Text ist unter www.spiegel.de abrufbar.
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