Bundesregierung soll auf Ausbildung irakischer Polizisten verzichten / »Nicht riskieren, dass Entführer das Schwert ziehen«
Der frühere Regierungssprecher Klaus Bölling rät dem Krisenstab, den Geiselnehmern bei der Entführung der beiden Deutschen im Irak nachzugeben. »Um das Leben der beiden Geiseln zu retten, würde ich als ultima ratio anbieten, dass die Bundesrepublik darauf verzichtet, irakische Polizisten auszubilden«, sagte Bölling, im Jahr 1977 Mitglied des Krisenstabs bei der Schleyer-Entführung, zu SPIEGEL ONLINE. »Mir sagte ein hoher Regierungsbeamter ohnehin, das sei nur eine Verbeugung vor George W. Bush und bedeute faktisch gar nichts. Man müsste den Entführern verdeutlichen, die Botschaft in Bagdad zu schließen, verstoße gegen die humanitären Aufgaben einer Ständigen Vertretung.«
Man dürfe »nicht riskieren, dass es in drei, vier Tagen Videos bei al-Dschasira gibt, auf denen man sieht, wie die Entführer das Schwert ziehen«, sagte Bölling. »Der Krisenstab sollte nachgeben.« Auch ohne ein Einlenken der Bundesregierung werde »der Terror im Irak weitergehen«. Die Situation sei »anders als 1977 bei der Schleyer-Entführung. Damals hat die Bundesregierung argumentiert, man wolle zwar Schleyers Leben retten, aber auch gleichzeitig die Gemeinschaft schützen, damit die RAF-Terroristen aus Stammheim keine neuen Mordanschläge planen können. Es geht jetzt aber nicht um die Verteidigung einer abstrakten Staatsräson, sondern darum, dass zwei unschuldige Menschen nicht hingerichtet werden.«
Das Prinzip, dass der Staat Gewalt nicht nachgeben darf, könne jetzt nicht gelten, sagte Bölling. »Wenn wir durch Konzessionen, die nicht einer Kapitulation gleichen, die beiden Männer retten können, würde ich als Mitglied eines Krisenstabs sagen: ›Herr Steinmeier, das müssen wir versuchen. Das sind wir unseren beiden Landsleuten schuldig‹.«
Ein Nachgeben gegenüber den Geiselnehmern beeinträchtige nicht das Bemühen um Stabilität im Irak. »Die neue irakische Armee und die Polizei werden mit der Gewalt nicht fertig. Alle paar Wochen geht eine Autobombe hoch, wo sich arbeitslose Iraker als Soldaten oder Polizisten melden. Die Sicherheitslage im Irak würde also durch ein Nachgeben nicht qualitativ verändert.«
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