Die islamische Welt stellt sich den Europäern heute als eine Welt der Krisen und Bedrohungen dar, in der religiöse Fanatiker den Ton angeben. Aber in der 1300-jährigen gemeinsamen Geschichte ist das nur eine Momentaufnahme. Es waren höchst wechselhafte und spannende Zeiten, seit die Muslime im Mittelalter ein Weltreich von Spanien bis zum Hindukusch errichtet haben. Wissenschaftlich und kulturell waren sie weit überlegen, das Abendland verdankte ihnen das Rechnen mit der Null und die Überlieferung der griechischen Philosophie, auch den Kaffee und die Gitarre. Aber die Machtverhältnisse kehrten sich um, als Europa nach der Entdeckung Amerikas begann, den Globus zu kolonisieren - es ist dieses Erbe, das den Krisenherd des Nahen Ostens bis heute prägt.
Die neue Ausgabe von SPIEGEL GESCHICHTE beschreibt die jahrhundertelange Herrschaft muslimischer Emire und Kalifen in Spanien sowie die anschließende Politik der ethnisch-religiösen Säuberung durch die katholischen Könige. Wie es vor allem portugiesischen Seefahrern gelang, durch neue Handelsrouten den Aufstieg Europas zu befördern, zeigen die Autoren des Heftes ebenso wie die wachsende Orientbegeisterung in den Salons abendländischer Metropolen zu einer Zeit, als die islamischen Reiche bereits machtpolitisch geschwächt waren.
Die Zeit der europäischen Herrschaft über die arabische Welt ist vor allem mit Namen wie Napoleon oder Thomas Edward Lawrence verbunden. Der eine eroberte Ägypten und heuchelte tiefes Interesse für den islamischen Glauben. Der andere versprach den Menschen im Nahen Osten, sie von den Osmanen zu befreien, verfolgte aber letztlich bloß die Interessen der Kolonialherren in London und Paris. Warum er allen Enttäuschungen zum Trotz noch große Hoffnung in den Austausch zwischen den Kulturen setzt, erklärt der Kölner Nahostexperte Loay Mudhoon: Europas Muslime sollten den Islam in einem "fruchtbaren Prozess der gegenseitigen Zumutung" neu definieren.
SPIEGEL GESCHICHTE "Der Islam und die Europäer - Machtkampf, Handel und Kultur seit 1300 Jahren" erscheint am 31. Januar 2017 zum Preis von 7,90 Euro. Die digitale Ausgabe mit multimedialen Extras ist bereits am Tag vor Erscheinen des Print-Heftes ab 18 Uhr verfügbar.
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