DER SPIEGEL

Caritas-Chef Peter Neher fordert Hilfe für misshandelte Heimkinder

»Ich halte es für wichtig, dass in den Einrichtungen Entschuldigungen ausgesprochen werden«

Die massenhafte Misshandlung von Heimkindern in der Nachkriegszeit wurde von kirchlichen Stellen in der Vergangenheit stets als Problem von Einzelfällen abgetan. In einem Interview mit dem SPIEGEL plädiert Caritas-Chef Peter Neher jetzt erstmals für einen offenen Umfang mit diesem dunklen Kapitel: »Wir wollen die heute Erwachsenen nicht mit den in ihrer Kindheit entstandenen Traumatisierungen alleine lassen«, sagte Neher. Hunderttausende Kinder und Jugendliche wuchsen in den fünfziger und sechziger Jahren unter oft unvor­stellbaren Bedingungen in kirchlichen Heimen auf. Sie wurden geschlagen, erniedrigt und eingesperrt. Viele fühlten sich damals als Zwangs­arbeiter, sie wurden kaum entlohnt und nicht sozialversichert.

»Was da bekannt wird, finde ich schlimm, und es tut mir leid, wenn solche Dinge bedauerlicherweise auch in katholischen Heimen geschehen sind«, sagte Neher im SPIEGEL-Interview. Oftmals seien die Erzieher nicht richtig ausgebildet gewesen. »Viele Erfahrungen, die von den Kindern und Jugendlichen gemacht wurden, liegen auch an einer Überforderung der Heimleiter und Erziehenden.«

Auch einem weiteren Problem will sich Neher jetzt annehmen: Viele der 14- bis 21-Jährigen Bewohner mussten in den Heimen arbeiten, haben dafür jedoch heute keine Rentenansprüche, weil sie nie bei der Sozialversicherung angemeldet wurden. »Wir plädieren dafür, nach Absprache und Prüfung mit der Bundesanstalt für Angestellte und anderen Rentenversicherungsträgern, alle Möglichkeiten zu erkunden, dass solche nachgewiesenen Arbeitszeiten entsprechend berücksichtigt werden.«

»Generell raten wir als Caritas allen katholischen Einrichtungen zu einem offenen Umgang mit den Betroffenen«, sagte Neher dem SPIEGEL. Wo es möglich sei, solle den ehemaligen Heimkindern ermöglicht werden, ihre Akten einzusehen. »Ich halte es für wichtig, dass in den jeweiligen Einrichtungen im individuellen Gespräch Entschuldigungen ausgesprochen werden.« Er kündigte außerdem an, die wissen­schaft­liche Forschung zur Vergangenheit kirchlicher Erziehungsheime zu unterstützen. »Wir schlagen auch vor, auf Konferenzen und anderen Veranstaltungen aktiv mit diesem Thema umzugehen.«

Das vollständige Interview ist unter www.spiegel.de abrufbar.

Ansprechpartner für Rückfragen: Peter Wensierski
Telefon: 030/886688-213, E-Mail: peter_wensierski@spiegel.de

Kommunikation, Maria Wittwer
Telefon: 040/3007-2320, E-Mail: maria_wittwer@spiegel.de

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