Interview mit Claas Tatje, Text­chef manager magazin

Claas Tatje arbeitet als Text­chef beim manager magazin.

Claas Tatje Foto: Carsten Dammann
Fast jede Autorin und jeder Autor haben ihren eigenen Erzähl­ton. Die Kunst ist es dann, diesen Sound nicht weg­zu­bürsten, sondern zu erhalten und zugleich die Artikel so ins Heft zu bringen, dass sie den Unkundigen genauso begeistern wie die Insiderin.

Wie sieht ein typischer Arbeits­tag bei dir aus?

Meist beginnt der gegen 8.30 Uhr. Unsere Morgen­konferenz startet um 9.30 Uhr: mit einem Rück­blick auf die erfolg­reichsten Stücke des Vortags und einem Aus­blick auf die aktuellen Ereignisse und die erwarteten Nach­richten des Tages. All das natürlich schon mit Blick auf die Artikel, die aktuell online gehen sollen.
Einmal im Monat bin ich für eine Woche der soge­nannte Wochen­planer und koordiniere, welche Stücke wir nur für Abonnent:­innen aus­spielen. Die durch­laufen dann einen recht auf­wendigen Produktions­prozess mit Redigatur, Dokumentation und Schluss­redaktion. Ich redigiere in diesen Wochen auch den mit 75.000 Leser:­innen über­aus beliebten News­letter »Der Tag«, der am späten Nach­mittag an die Abonnent:­innen versendet wird.

Und was ist mit dem Heft?

Da koordiniere ich die letzte Seite des Hefts, in der wir uns fragen, was aus ehe­maligen Manager­innen und anderen mächtigen Figuren der Wirt­schaft geworden ist. Was macht eigent­lich…? heißt die Rubrik.

Hinzu kommt dann meine Rolle als Text­chef. Beim Heft drehen wir in der Produktion noch ein, zwei Runden mehr und ich lese fast alles vom Uhren­duell bis zur Titel­geschichte und exklusiven Nach­richten­storys. Die Arbeits­zeiten sind sehr variabel. Oft am Abend, manchmal auch am Wochen­ende, aber eben immer verbunden mit der Flexi­bili­tät, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Das kommt mir als Vater von drei Kindern und dem Termin­trubel von Fuß­ball­spielen bis zum Schwimm­kurs sehr entgegen.

Was macht den Job besonders?

Vermutlich die in der deutschen Wirtschafts­presse ziemlich ein­malige Mischung an exklusiven Recherchen und tief­gründigen Hinter­grund­geschichten, die Monat für Monat auf meinem Schreib­tisch landet. Fast jede Autorin und jeder Autor haben ihren eigenen Erzähl­ton. Die Kunst ist es dann, diesen Sound nicht weg­zu­bürsten, sondern zu erhalten und zugleich die Artikel so ins Heft zu bringen, dass sie den Unkundigen genauso begeistern wie die Insiderin. Am Ende kommen dann idealer­weise Geschichten heraus, die in den Auf­sichts­räten, auf Vor­stands­fluren und bei Mittel­ständlern für Auf­regung sorgen.

Die Business-Welt ändert sich ständig: Wie bleibst du selbst auf dem neuesten Stand?

Lesen hilft, aber noch viel­mehr das eigene Erleben und Gespräche. Man kann gar nicht genug tele­fonieren und reisen in diesem Job, das kommt in der Rolle des Text­chefs gerade leider ein bisschen kurz. Aber auch der Aus­tausch mit den bestens vernetzten Kolleg:­innen hilft sehr – am liebsten natürlich in der Snack­bar im fünften Stock.

Wie verteilt sich deine Arbeit auf Print und digital?

Mindestens 50/50. Wir schreiben zunächst alles für unsere Seite manager-magazin.de Erst nach der digitalen Abnahme wandern die Artikel ins Heft. Diese Digital-first-Strategie ist weit konse­quenter zu Ende gedacht als in anderen Medien­häusern. Interessanter­weise sind die Online-Stücke dadurch oft länger als die Heft­stücke. Hinzu kommen die schon erwähnten Artikel, die wir nur online aus­spielen, so genannte manager+-Stücke. Es gibt für unsere Leser:­innen nur einen Unter­schied zwischen digital und Print: Das Heft lesen manche zwei Stunden am Stück, auf der manager-Seite verweilen sie deutlich kürzer, dafür aber umso öfter.