7 mal 5 Fragen Fünf Fragen an Jonathan Schwarz

Der Product Manager Analytics & Lead Analytics Consultant wertet die Daten unserer Websites aus und erstellt entsprechende Analysen.

„Wir erheben Daten, die immer in einem Bezug zu Menschen stehen, die mit unserem Produkt und unseren Inhalten interagieren.“

Was war für dich die aufregendste Zahl in Bezug auf das 75-jährige Jubiläum des SPIEGEL?

Bei all den Zahlen finde ich immer noch die 75 an sich am auf­regendsten. Die 75 Jahre Geschichte dieses Hauses. 75 Jahre, in denen das Haus deutsche und Welt­geschichte begleitet und teil­weise mit­gestaltet hat, was mich als Mit­arbeiter auch demütig macht. Deswegen hat für mich diese Zahl auch eine so besondere Bedeutung.

Bei einer reich­weiten­starken Seite wie SPIEGEL.de gibt es einige Daten, die man analysieren kann. Wie behaltet ihr da den Überblick?

In der Tat ist es spannend. Denn ein Groß­teil der deutsch­sprachigen Bevölkerung kommt auf den verschiedensten Wegen irgend­wann mit unserem Produkt in Kontakt. In unserem Team Research & Data vereinen wir verschiedene technische Methoden. Bei allen Projekten steht aber im Kern, dass wir viel darüber reden, welche Themen und Auf­gaben­stellungen uns im All­tag bewegen. Der Ausgangs- und Anker­punkt ist dabei immer die Frage­stellung, die an uns heran­getragen wird oder aus unserer Arbeit entsteht. Das Schwarm­wissen des gesamten Teams sorgt dafür, dass wir den Überblick behalten.

Für mich ganz im Speziellen im Kontext meiner Themen von Daten­erhebung und Infra­struktur ist es entscheidend, das Daten­modell zu kennen. Ich kenne die Struktur. Mit dem not­wendigen Verständnis für das Produkt und die Implementierung kann ich mir die vielen ver­füg­baren Daten erschließen. Ansonsten wäre es schwierig, sich alles zu merken. Aber zum Glück ist dies nicht so wichtig, wenn man das Daten­modell gut kennt.

Bei so vielen Zahlen denken einige bestimmt mit schwitzigen Händen an ihren Mathematik-Unterricht zurück. Lass uns doch mal an deiner Faszination teil­haben, was findest du hieran so spannend?

Die Probleme des Mathematik-Unterrichts oder das, was dort immer zu kurz gekommen ist, trifft hier absolut nicht zu: nämlich der Praxis­bezug. Wir erheben Daten, die immer in einem Bezug zu Menschen stehen, die mit unserem Produkt und unseren Inhalten inter­agieren. Das macht das Ganze schon viel leichter. Uns helfen dann aber die vielen Kolleg:­innen aus dem Team, die mit Inter­views, Umfragen und qualitativen Methoden punktuell das Verhalten sicht­barer und greif­barer machen. In der Breite zeigen unsere Daten, wie sich die Nutzer:­innen durch unser Produkt bewegen.

Stadtplaner und Architekten zum Beispiel haben es in einer Hinsicht deutlicher einfacher: Sie können physische Barrieren nutzen, um Ströme von Menschen gezielt zu lenken. Dann muss man sich dort nur hin­stellen und beobachten, wie sie laufen und ob etwas funktioniert oder nicht. Der Bewegungs­raum im Digitalen lässt sich viel schwieriger gestalten. Unsere Daten helfen uns dabei zu verstehen, wie unsere Produkte und Inhalte sowohl im Sinne unserer Nutzer:­innen als auch im Sinne unserer vertrieb­lichen Maß­nahmen funktionieren. Durch eine Leser­schaft, die einen großen Anteil der deutsch­sprachigen Bevölkerung aus­macht, werden die Zahlen so spannend und hilf­reich. Entsprechend groß ist das Inter­esse im Haus, zu verstehen, wie unsere digitalen Produkte genutzt und angenommen werden.

Hat sich der Wunsch nach mehr Daten nach dem Relaunch 2020 und während der Pandemie eigentlich merklich erhöht?

Auf jeden Fall. Der Relaunch der Web­seite ist die eine Seite. Fast entscheidender war zudem, dass es einen strategischen und organi­satorischen Relaunch gab, der den Fokus auf eine strukturierte Produkt­entwicklung gelegt hat. Damit verbunden ist die Organisation in einem OKR-Prozess (Anm.: Objectives und Key Results) und die Bildung von inter­disziplinären Entwicklungs­teams. Damit haben sich die­jenigen, die an der Entwicklung unserer digitalen Produkte beteiligt sind, ver­viel­facht. Es sind insgesamt mehr Kolleg:­innen, die mit Inter­esse und Leiden­schaft an dem Produkt mit­ent­wickeln, die alle wissen wollen, welche Rolle ihr Beitrag spielt. Dabei helfen wir mit unseren Daten. Zudem haben wir Möglich­keiten geschaffen, wie wir Nutzer:­innen auf der Seite gezielter ansprechen können. Somit ist die Arbeit als Analyst und Daten­architekt insgesamt viel­fältiger geworden und wird im Haus auch stärker wahr­genommen und anerkannt.

Die Redaktion war schon immer wiss­begierig und wollte schon immer möglichst viele und aktuelle Daten. Allein von Beruf­swegen sind sie immer neugierig und auf der Suche nach einer guten Quelle für eine gute Story. Und diese Quelle wollen wir für die Redaktions­kolleg:­innen sein. Sie freuen sich darüber, dass wir inzwischen Artikel nicht mehr nur durch ihre Reich­weiten bewerten müssen, sondern das Augen­merk auch auf Conversions und Kenn­zahlen über die Qualität der Nutzung und der länger­fristigen Bindung unser Leser:innen legen können.

Stichwort: Post-Cookie-Ära. Was macht dich so sicher, dass wir auch dann noch verlässliche Daten erfassen werden?

Ich bin positiv gestimmt, da wir sogar verlässlichere Daten bekommen werden. Nur zur Einordnung, was meint Post-Cookie-Ära für mich? Vor allem das Weg­fallen der Dritt­anbieter­cookies und ins­besondere das Geschäfts­modell Nutzer:­innen heimlich über verschiedene Web­seiten zu verfolgen und hier­über Daten zu verknüpfen, derer sich diese nicht so bewusst sind.

Für uns heißt das jetzt, dass wir gemein­sam mit unseren Daten­schutz­beauftragten Möglich­keiten schaffen, wie wir Daten effizienter aber zugleich transparenter erheben können. Effizienter, weil wir Profile über die Accounts der Nutzer besser zusammen­führen können. Transparenter, weil wir dafür die Nutzer:­innen noch besser auf­klären müssen, was für Daten wir erheben und warum wir dies tun. Zudem müssen wir auch mehr Möglich­keiten ein­räumen Teilen davon zu wider­sprechen. Für beide Seiten ist dies eine Chance.

Die Daten­menge im Sinne verwert­barer Nutzer­profile wird vermutlich geringer – insbesondere auch bei Gruppen, die ohnehin nur kurz oder eher selten SPIEGEL.de nutzen. Auf der anderen Seite werden die Daten, die wir weiter­hin erheben können, dafür verlässlicher. Um eine Lanze für meinen Job zu brechen: Mit den erhobenen Daten wollen wir im Sinne der Nutzer:­innnen das Erleben unserer Produkte zu einem positiveren Erlebnis machen. Des­wegen bin ich sehr zu­ver­sichtlich für die Zeit nach der Nutzung der Third-Party-Cookies.

Das Interview haben wir im Sommer 2022 geführt.