Nestlé-Chef Mark Schneider will das weltgrößte Nahrungsmittelunternehmen entschieden umbauen, um das Wachstum zu steigern. „Angesichts des Umbruchs in der Nahrungsmittelbranche muss sich jedes Unternehmen fragen, ob die eigene Veränderungsgeschwindigkeit noch übereinstimmt mit jener seiner Umwelt“, sagte der neue CEO in seinem ersten großen Interview seit dem Amtsantritt im Januar dem manager magazin (Erscheinungstermin: 21. Juli). „Wir setzen auf einen Dreiklang aus Geschwindigkeit, Vereinfachung und Kostenbewusstsein.“
Schneiders Fokus liegt dabei klar auf dem Kerngeschäft. „Wir haben vier Wachstumsbereiche definiert. Bei Kaffee, Tierfutter, Babynahrung und Wasser sehe ich beste Chancen. Und zwar genau in dieser Reihenfolge“, sagte er. Von den übrigen Geschäftsfeldern forderte Schneider rasche Ergebnisse. „Unsere primäre Aufgabe ist es, Underperformer aggressiv auf Kurs zu bringen.“ An zweiter Stelle stehe ein höheres Innovationstempo. Zudem setzt der deutsch-amerikanische Manager auf den Ausbau des eigenen Online-Handels. „Unser Onlineumsatz wächst dreimal so schnell wie der Gesamterlös. Aber da ist noch deutlich mehr möglich.“
Vor wenigen Wochen hat Nestlé das rund 900 Millionen Franken schwere US-Süßwarengeschäft ins Schaufenster gestellt. Weitere Veräußerungen schloss Schneider zwar nicht aus, machte aber deutlich: „Wir betreiben hier kein Stock-Trading, indem wir langsam wachsende Segmente verkaufen und in schnell wachsenden zukaufen.“
Eine Absage erteilte der frühere Chef des deutschen Gesundheitskonzerns Fresenius der mit seinem Wechsel verbundenen Vermutung, Nestlé werde zum Wettbewerber der Pharmabranche umgebaut. „Es ist mir wichtig, diese Spekulationen zurechtzurücken. Nestlé erzielt 95 Prozent seines Umsatzes mit Nahrungsmitteln und Getränken, das Health-Care-Business trägt nur rund 5 Prozent bei“, so Schneider. „Natürlich hat dieser Bereich Potenzial. Und wir werden die Angebotspalette um Produkte erweitern, die wir vor allem über Apotheken und Drogerien verkaufen. Aber es wäre keine vernünftige Strategie, mit diesen 5 Prozent etwas in Aussicht zu stellen, das die übrigen 95 Prozent überstrahlt.“
Den Einstieg des aktivistischen Investors Daniel Loeb, der rund 1,3 Prozent an Nestlé hält, kommentierte Schneider in allgemeiner Form. „Es ist das gute Recht jedes Anlegers, sich eine Meinung zum Unternehmen und zum Management zu bilden und diese auch zu kommunizieren. In umgekehrter Richtung halte ich mich grundsätzlich zurück und bin auf einen konstruktiven Dialog mit allen Aktionären bedacht.“ Entschieden trat Schneider Meldungen entgegen, wonach der kürzlich beschlossene Aktienrückkauf in Höhe von 20 Milliarden Franken auf die Initiative Loebs zurückging. Es sei doch klar, dass „sich der Verwaltungsrat bereits seit einiger Zeit mit unserer Wachstumsstrategie und unserer Bilanzstruktur beschäftigt hat“.
„Wer sich zu sehr an den Erwartungen anderer ausrichtet, beginnt, Headline-Management zu betreiben“, sagte Schneider. „Das ist nicht meine Art und passt auch nicht zu Nestlé.“ Und weiter: „Wir versuchen, langfristige Entscheidungen zu treffen. Und dafür braucht man Zeit. Der spektakulär steile Pfad, den wir bei Fresenius beschritten haben, war auch nur eine kontinuierliche Abfolge von sehr vielen kleinen Schritten.“ Der 51-Jährige hatte kurz nach Amtsantritt das Wachstumsziel für die Jahre 2017 bis 2019 auf 2 bis 4 Prozent zurückgenommen, für die Jahre ab 2020 hat er sich mittlere einstellige Wachstumsraten beim Umsatz zum Ziel gesetzt. Nestlé machte 2016 einen Umsatz von knapp 90 Milliarden Franken.
Für sich selbst stellt Schneider mit dem Wechsel in die Konzernzentrale nach Vevey „sehr wohl eine persönliche Herausforderung im Umgang mit neuen Dimensionen“ fest. Dabei sei es wichtig, einerseits seinen Prinzipien treu zu bleiben und sich andererseits im Hinblick auf konkrete Abläufe und Methoden anzupassen. „Das ist Teil der eigenen Journey, die man bewältigt oder eben nicht. Man wächst daran oder man versagt.“
Autoren: Martin Mehringer, Martin Noé
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